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PKK und Çürükkaya

„Frei­heit für Kur­dis­tan“ schallt es einem auf so man­cher lin­ken De­mons­tra­ti­on ent­ge­gen, die Kur­dis­tan gar nicht zum Thema hat. So bei­spiels­wei­se auch am 1. Mai 2011 auf der De­mons­tra­ti­on gegen den Na­zi-Auf­marsch in Heil­bronn.
Grö­ße­re Teile der an­ti­im­pe­ria­lis­ti­schen Lin­ken in Deutsch­land sym­pa­thi­sie­ren mit einem un­ab­hän­gi­gen Kur­dis­tan, also einem Staat für die kur­disch­spra­chi­gen Min­der­hei­ten in der Tür­kei, im Iran, im Irak und in Sy­ri­en.
 

Dabei hört und liest es sich so, als ob man mit einem un­ab­hän­gi­gen Kur­dis­tan einen ent­schei­den­den Schritt in Rich­tung der be­frei­ten Ge­sell­schaft, also im Ver­ständ­nis der An­ti­imps zum „Kom­mu­nis­mus“, getan hätte.

Als un­ter­stüt­zens­wer­tes­te Or­ga­ni­sa­ti­on gilt im kur­di­schen Be­frei­ungs­kampf vor allem die PKK und ihre Nach­fol­ge-Struk­tu­ren.
 
Zwar haben nicht-an­ti­im­pe­ria­lis­ti­sche Linke häu­fig we­ni­ger Sym­pa­thi­en für den kur­di­schen Be­frei­ungs­na­tio­na­lis­mus, das rührt aber trau­ri­ger­wei­se eher aus einem Des­in­ter­es­se für den Kon­flikt an sich her. Dabei ver­dient die­ser Kon­flikt wie jeder blu­ti­ge Kon­flikt kri­ti­sche Auf­merk­sam­keit. Der Kon­flikt in der kur­di­schen Ost­tür­kei, wo die PKK ihren Schwer­punkt hat, schwelt seit Jahr­zehn­ten und meh­re­re zehn­tau­send Men­schen sind dabei ums Leben ge­kom­men. Die Mehr­heit der Opfer waren Zi­vi­lis­ten, die auf das Konto der tür­ki­schen Mi­li­tärs und Pa­ra­mi­li­tärs gehen. Die Bun­des­re­pu­blik ver­sorg­te dabei ihren NA­TO-Part­ner immer mit aus­rei­chend Waf­fen, u.a. aus NVA-Be­stän­den.
Die Ver­fol­gung der PKK durch die Tür­kei und ihr Ver­bot in Deutsch­land tun ihr Üb­ri­ges zu einer feh­len­den Kri­tik der Ziele der PKK, ihrer Me­tho­den und der PKK als Or­ga­ni­sa­ti­on.
 
Eine in­halt­li­che Kri­tik an der PKK im Spe­zi­el­len und dem kur­di­schen Be­frei­ungs­na­tio­na­lis­mus im All­ge­mei­nen fin­det so gut wie gar nicht statt. Dabei gäbe es aus li­ber­tä­rer Sicht al­ler­hand zu kri­ti­sie­ren.
 
Zwi­schen Ka­der- und Ka­da­ver-Ge­hor­sam: Die PKK und ihr Füh­rer Öca­lan
Seit einer Art PKK-in­ter­nen Putsch 1982 bzw. 1983 bis zu sei­ner Ver­haf­tung 1999 war Ab­dul­lah Öca­lan (APO), auch „unser gro­ßer Füh­rer“ bzw. „die Füh­rung“, ab­so­lu­ter Herr­scher in der PKK.
Das do­ku­men­tiert der kur­di­sche Autor Selim Cü­rükka­ya in sei­nem Buch „PKK. Die Dik­ta­tur des Ab­dul­lah Öca­lan“ (Frank­furt/Main, 1997). Der Ver­fas­ser wurde von Öca­lan als Ver­rä­ter ver­folgt, ob­wohl er in Wahr­heit nur ein Ab­trün­ni­ger der Öca­lan-PKK war. Er schreibt von sich selbst: „Ich bin aus dem Ge­fäng­nis der of­fi­zi­el­len Ideo­lo­gie ge­flo­hen.“
Dabei ge­hör­te Cü­rükka­ya zum Ur­ge­stein der PKK und war seit 1974 PKK-Mit­glied. Des­we­gen wurde er 1980 ver­haf­tet und saß bis 1991 elf Jahre Ge­fäng­nis, drei Jahre davon war er sys­te­ma­ti­scher Fol­ter un­ter­wor­fen. Nach sei­ner Ent­las­sung aus dem Ge­fäng­nis ging Cü­rükka­ya zur Mahs­um-Kork­maz-Aka­de­mie im li­ba­ne­si­schen Be­kaa-Tal, dem da­ma­li­gen Exil-Sitz der PKK. Das Be­kaa-Tal wurde zu die­ser Zeit von Sy­ri­en kon­trol­liert, mit des­sen Re­gime unter Assad Se­ni­or Öca­lan kol­la­bo­rier­te. Cü­rükka­ya merk­te schnell das seine Par­tei stark sta­li­nis­ti­sche Züge an­ge­nom­men hatte:
 
„Die PKK war be­sei­tigt wor­den, unser gro­ßer Füh­rer hatte sich an ihre Stel­le ge­setzt. Da­ne­ben gab es nur noch die Krie­cher und die Spio­ne und die Summe die­ser drei Ele­men­te wurde als PKK be­zeich­net.“
(Selim Cü­rükka­ya: PKK. Die Dik­ta­tur des Ab­dul­lah Öca­lan, Frank­furt/Main 1997, Seite 92)
Nach einer Haft­zeit in einem PKK-Ker­ker flieht Cü­rükka­ya über den Li­ba­non nach Deutsch­land und schreibt ein Ent­hül­lungs­buch über die PKK:
„Ich woll­te und will mei­nen Mit­strei­te­rIn­nen zei­gen, wie un­se­re Idea­le dem Macht­hun­ger eines Dik­ta­tors zum Opfer ge­fal­len sind.“
(Selim Cü­rükka­ya: PKK. Die Dik­ta­tur des Ab­dul­lah Öca­lan, Frank­furt/Main 1997, Seite 13-14)
 
Nach Cü­rükka­ya ist Öca­lan ein Dik­ta­tor ohne Land, der für sei­nen Macht­er­halt, die Ver­tu­schung sei­ner se­xu­el­len Über­grif­fe und die Ein­hal­tung sei­ner Se­xu­al­mo­ral über Lei­chen geht.
Im Jahre 1999 er­klär­te Öca­lan in der „Serx­we­bun“ Nr. 207 auf se­xu­el­le Ver­ge­hen in­ner­halb der Par­tei stehe die To­des­stra­fe. Se­xu­el­le Ver­füh­rung durch Mann oder Frau ver­sto­ße gegen grund­le­gen­de Prin­zi­pi­en und sei der Tod des Krie­ger­tums. Auch Cü­rükka­ya be­rich­tet:
„Unser gro­ßer Füh­rer hat Se­xua­li­tät zu einem Tabu ge­macht. Er hat be­foh­len, daß die­je­ni­gen unter sei­nen Knech­ten und Mäg­den, die sich lie­ben, an­ge­klagt wer­den, die Prü­gel­stra­fe er­hal­ten, er­schos­sen wer­den, zum Selbst­mord oder zur Flucht in die Hände des Fein­des ge­zwun­gen wer­den.“
(Selim Cü­rükka­ya: PKK. Die Dik­ta­tur des Ab­dul­lah Öca­lan, Frank­furt/Main 1997, Seite 68-69)
Auf der an­de­ren Seite do­ku­men­tiert Cü­rükka­ya meh­re­re se­xu­el­le Über­grif­fe Öcal­ans auf Frau­en in sei­nem Um­feld.
 
Immer wie­der fin­den Säu­be­run­gen in den Rei­hen der PKK statt, um mög­li­che Op­po­nen­ten Öcal­ans zu be­sei­ti­gen. Das Ganze er­in­nert stark an die sta­li­nis­ti­sche Agen­ten-Hys­te­rie. Auch mit der er­zwun­ge­nen öf­fent­li­chen „Selbst­kri­tik“ be­fin­det man sich in „bes­ter“ sta­li­nis­ti­scher Tra­di­ti­on.
 
Die von Öca­lan ver­häng­te To­des­stra­fe in den Ber­gen und im Exil (auch in Deutsch­land) for­dert viele Opfer. Selim Cü­rükka­ya nennt al­lein für 1991 die Zahl von 141 Kämp­fern, die wegen Ab­wei­chung stand­recht­lich er­schos­sen wur­den. Jede die­ser Hin­rich­tun­gen muss­te laut Cü­rükka­ya von Öca­lan be­stä­tigt wer­den (Selim Cü­rükka­ya: PKK. Die Dik­ta­tur des Ab­dul­lah Öca­lan, Frank­furt/Main 1997, Seite 114). Viele Opfer wur­den nach ihrem Tod per­fi­der­wei­se für das Sym­pa­thi­san­ten-Um­feld of­fen­bar zu Mär­ty­rern im Kampf um die kur­di­sche Sache um­ge­lo­gen.
Auch das On­line-Le­xi­kon Wi­ki­pe­dia weiß von PKK-in­ter­nen Säu­be­run­gen zu be­rich­ten:
„In­ner­halb der PKK ging man in den 1980ern und 1990ern Jah­ren mit äu­ßers­ter Härte gegen ver­meint­li­che oder po­ten­zi­el­le Kri­ti­ker und Ri­va­len Öcal­ans und gegen mög­li­che und ver­mu­te­te „Ver­rä­ter“ vor. Ehe­ma­li­ge Kämp­fer be­rich­ten über Exe­ku­tio­nen mit Bil­li­gung oder auf An­ord­nung Öcal­ans. Auch Kader und Kämp­fer, die die PKK ver­lie­ßen, wur­den er­mor­det.“
Laut Wi­ki­pe­dia soll es 2002 das letz­te Opfer eines par­tei­in­ter­nen Mord­kom­plotts ge­ge­ben haben.
 
Um Öca­lan herum exis­tiert ein von ihm be­för­der­ter Per­so­nen­kult. Von Öcal­ans Selbst­über­hö­hung zeugt schon sein Je­sus-Kom­plex:
„Als Jesus ans Kreuz ge­na­gelt wurde, wein­ten die Men­schen sei­ner Um­ge­bung le­dig­lich. Beim Tode Mo­ham­meds dis­ku­tier­te man im An­ge­sicht sei­nes Leich­nams drei Tage über die Nach­fol­ge. Als Lenin starb, be­ging nie­mand Selbst­mord. Aber als ich ver­haf­tet und aus­ge­lie­fert wurde, über­ga­ben sich die Kin­der, Söhne und Töch­ter des kur­di­schen Volkes gleich zu Hun­der­ten lich­ter­loh bren­nend den Flam­men. Was woll­ten sie damit zum Aus­druck brin­gen? Wo­ge­gen rich­te­te sich die Wut der­je­ni­gen, die sich selbst zur Bombe mach­ten und in die Luft spreng­ten? Wel­che Rea­li­tä­ten brach­ten sie dazu, das zu tun? Wenn ich es nicht per­sön­lich ver­hin­dert hätte, Tau­sen­de wären be­reit ge­we­sen.“
(Öca­lan: Özgür İnsan Sa­vun­ması [Die Ver­tei­di­gung des frei­en Men­schen], Seite 52)
Ganz un­ge­niert stellt sich Öca­lan in den Mit­tel­punkt. Er ist nach ei­ge­ner Aus­kunft Kur­dis­tan bzw. des­sen Schick­sal:
„Frü­her Gab es so etwas wie das kur­di­sche Volk nicht. Es gab in der Tür­kei nicht ein­mal so etwas wie De­mo­kra­tie. So sehr wie meine Art des Grö­ßer­wer­dens die Art der Neu­er­schaf­fung des kur­di­schen Volkes ist, ist es die Art der Neu­er­schaf­fung der De­mo­kra­tie […]. Dies ist ganz of­fen­sicht­lich. Ohne eine Par­tei kann es kei­nen Wi­der­stand des Volkes geben, bes­ser noch, ohne mich kann es kein Volk geben. Ei­ni­ge mögen das über­trie­ben fin­den, aber so ist die Wahr­heit.“
(Ab­dul­lah Öca­lan, in: Berx­we­dan vom 15. Fe­bru­ar 1995, Seite 14, Nach: Selim Cü­rükka­ya: PKK. Die Dik­ta­tur des Ab­dul­lah Öca­lan, Frank­furt/Main 1997, Seite 111)
 
Dass von Öca­lan an­ti­zio­nis­ti­sche und ver­schwö­rungs­ideo­lo­gi­sche an­ti­se­mi­ti­sche Zi­ta­te do­ku­men­tiert sind, dürf­te we­ni­ger ver­wun­dern:
„Man muß wis­sen, daß Is­ra­el die tra­gen­de Macht ist, die die PKK den USA ge­gen­über als eine un­be­dingt zu eli­mi­nie­ren­de, ter­ro­ris­ti­sche Or­ga­ni­sa­ti­on de­nun­ziert hat.“
(Öca­lan am 18.07.1995 in der Yeni Po­li­ti­ka, Nach: grup­pe de­mon­ta­ge: Post­for­dis­ti­sche Gue­ril­la, Müns­ter 1998, Seite 219)
 
„Die Temp­ler sind eine sehr ge­hei­me Or­ga­ni­sa­ti­on. Spä­ter ent­haup­ten sie sogar den fran­zö­si­schen König. Dies ist eine Or­ga­ni­sa­ti­on der Frei­mau­rer. Die Quel­le all des­sen bil­det die Idee und das Ideal des Zio­nis­mus. Das soll aber hier nicht be­deu­ten, dass ich etwas gegen Juden hätte, oder An­ti­se­mit bin. Ich bin dafür, dass die Juden ihren Platz im Nahen Osten in de­mo­kra­ti­scher Weise ein­neh­men. Der Zio­nis­mus ist je­doch eine an­de­re Men­ta­li­tät. Der Zio­nis­mus schafft sich stets seine Geg­ner. Der Baath-Na­tio­na­lis­mus ent­stand in Geg­ner­schaft zu ihm. Auch die Schia wurde als Geg­ner des Zio­nis­mus ge­stärkt. Die Pro­ble­me in Pa­läs­ti­na und Li­ba­non sind das Er­geb­nis der Geg­ner­schaft zum Zio­nis­mus. Diese zio­nis­ti­sche Or­ga­ni­sa­tio­nen oder Frei­mau­rer müh­ten sich ab, Sul­tan Ab­dül­ha­mid II. von ihren Idea­len zu über­zeu­gen. Sie boten Ab­dül­ha­mid 150.000.000 in Gold für Sa­lo­ni­ki und Pa­läs­ti­na, um sich dort Land zu er­wer­ben. Sul­tan Ab­dül­ha­mid er­kann­te je­doch ihre Ab­sicht und lehn­te ab. Des­halb grün­de­ten diese Or­ga­ni­sa­tio­nen das Ko­mi­tee für Ein­heit und Fort­schritt, in dem sich kaum ein tür­ki­sches Ele­ment be­fand. Und was das Ko­mi­tee für Ein­heit und Fort­schritt tat, ist be­kannt. […] Durch die Hand der „Ein­heit und Fort­schritt“ wur­den die Ar­me­ni­er er­mor­det.“
(Öca­lan, Aus­schnitt aus einem Ge­sprächs­pro­to­koll)
 
Öcal­ans Sym­pa­thi­en für den Ber­li­ner CDU-Rechts­au­ßen Hein­rich Lum­mer ver­wun­dern schon eher
„SPIE­GEL: Der frü­he­re Ber­li­ner CDU-In­nen­se­na­tor Hein­rich Lum­mer be­sucht Sie und hält re­gel­mä­ßig Kon­takt mit Ihnen. Er schwärmt, Sie seien auf dem Weg vom „Fal­ken zur Taube“.
Man­cher in Bonn glaubt, mit Ihnen wach­se eine his­to­ri­sche Figur vom For­mat des PLO-Chefs Jas­sir Ara­fat heran.
Sind Sie ge­schmei­chelt?
Öca­lan: Ers­tens: Ich habe eine sehr große Ach­tung vor Lum­mer. Seine Art, Po­li­tik zu ma­chen, ist für deut­sche Po­li­ti­ker un­ge­wöhn­lich.
Zwei­tens: Ich war der erste Falke und bin die erste aller Tau­ben – noch vor der spä­ten Taube Ara­fat.
Er hat von An­fang an auf Ge­walt ge­setzt. Ich war immer für einen fried­li­chen Aus­gleich.
Er hatte die ara­bi­sche und is­la­mi­sche Welt im Rü­cken – ich und wir Kur­den waren und blie­ben al­lein.“
(Ich bin die erste aller Tau­ben. PKK-Chef Ab­dul­lah Öca­lan über das Kur­den­pro­blem und die Deut­schen, 25.11.1996, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9122895.html)
Sogar in der Ar­gu­men­ta­ti­on stimmt Öca­lan deut­schen Ras­sis­ten zu:
„Ich gebe zum Schluß noch eine Selbst­kri­tik für alle Deut­sche ab. Lei­der wird das ent­wi­ckel­te Deutsch­land auf­grund der Rück­stän­dig­keit un­se­res Volkes etwas ver­schmutzt. Das macht mich trau­rig. Deutsch­land hätte diese Schlech­tig­keit nicht zu­ge­fügt wer­den dür­fen. Es gibt so viele kur­di­sche Men­schen ohne Ar­beit und ohne ei­ge­nen Boden. Sie kamen aus zer­stör­ten Dör­fern und sind auf il­le­ga­len wegen nach Deutsch­land ge­schickt wor­den. Das hätte nicht pas­sie­ren dür­fen. Auch das war ein Ver­bre­chen. Sie wur­den in die Elends­vier­tel der Vor­städ­te ge­pfercht. Dews­we­gen macht sich er­neut Ras­sis­mus breit. Be­rech­tig­ter­wei­se üb­ri­gens! Ich finde, auch die Rech­ten sind im Recht. Ich sage offen, ich denke an die­sem Punkt nicht wie ein So­zi­al­de­mo­krat. Die Rech­ten haben Recht.“
(Ab­dul­lah Öca­lan im In­ter­view mit Gün­ter Wall­raff, 1996 oder 1997, Nach: Selim Cü­rükka­ya: PKK. Die Dik­ta­tur des Ab­dul­lah Öca­lan, Frank­furt/Main 1997, Seite 255)
 
Das Pro­blem ist aber nicht der Par­tei-Herr­scher Öca­lan al­lein. Die PKK ins­ge­samt för­der­te einen na­tio­na­lis­ti­schen Mär­ty­rer-Kult und griff Mitte der 1990er Jahre auch zum Mit­tel der Selbst­mord­at­ten­ta­te. Immer wie­der wur­den auch Zi­vi­lis­ten, die mit der Re­gie­rung kol­la­bo­riert haben sol­len, von der PKK er­mor­det.
 
Das Buch von Selim Cü­rükka­ya auf das sich hier vor allem be­zo­gen wurde, stammt aus dem Jahr 1997 und ist damit na­tür­lich in­zwi­schen ver­al­tet. Öca­lan sitzt seit 1999 in einem tür­ki­schen Ge­fäng­nis. Das hat den Per­so­nen-Kult um ihn noch be­för­dert. Wie sich die Si­tua­ti­on in der PKK ge­ra­de ge­stal­tet ist un­be­kannt, es könn­te z.B. zu einer Re-De­mo­kra­ti­sie­rung ge­kom­men sein. Ein Ab­rü­cken von Öca­lan aber ist nicht fest­zu­stel­len. Der Par­tei­dik­ta­tor ver­fügt zwar nicht mehr über Macht, aber noch über viel An­se­hen.
 
Kri­tik des kur­di­schen Be­frei­ungs­na­tio­na­lis­mus: In­di­vi­dual­rech­te statt Kol­lek­tiv­rech­te!
Die PKK scheint in ihrem au­to­ri­tä­ren Or­ga­ni­sa­ti­ons­auf­bau den au­to­ri­tä­ren Staats­auf­bau eines künf­ti­gen Kur­dis­tan vor­weg­zu­neh­men. Da bleibt die Frage ob ein kur­di­scher Be­frei­ungs­na­tio­na­lis­mus ohne Öca­lan und seine PKK so viel bes­ser wäre. Ist die Welt mit einem wei­te­ren Staat na­mens Kur­dis­tan wirk­lich bes­ser dran? Es gäbe noch mehr Gren­zen, die über­wun­den wer­den müss­ten und neue Min­der­hei­ten.
Es ist na­tür­lich schwer Kri­tik am kur­di­schen Be­frei­ungs­na­tio­na­lis­mus zu üben, wenn die Ge­sprächs­part­ner Men­schen mit fa­mi­liä­ren Ver­bin­dun­gen nach West-Kur­dis­tan (Tür­kei) sind, wo lange Zeit eine Bür­ger­kriegs­si­tua­ti­on herrsch­te. Trotz­dem ist aus an­ti­na­tio­na­ler Sicht auch eine ge­ne­rel­le Kri­tik des kur­di­schen Be­frei­ungs­na­tio­na­lis­mus not­wen­dig, auch ge­gen­über kur­disch­stäm­mi­gen und lin­ken Ju­gend­li­chen in Deutsch­land.
Na­tür­lich soll nie­mand auf Grund sei­ner Her­kunft, sei­ner Bräu­che oder wegen der Be­nut­zung sei­ner Mut­ter­spra­che dis­kri­mi­niert wer­den. Doch sol­che Dis­kri­mi­nie­rungs-Pra­xen wer­den nicht nur durch die Ver­schie­bung des Mehr­heit-Min­der­heits-Ver­hält­nis­ses in einem neuen, in die­sem Fall kur­disch do­mi­nier­ten, Staat auf­ge­löst. Eine Stär­kung der Rech­te des In­di­vi­du­ums, z.B. in der Spra­che sei­ner Wahl zu kom­mu­ni­zie­ren, würde den­sel­ben Ef­fekt haben.
Men­schen soll­te als Men­schen ge­hol­fen wer­den, bei­spiels­wei­se kur­di­schen Flücht­lin­gen in Deutsch­land. Es ist kei­nes­wegs eine zwin­gen­de Kon­se­quenz in einem Kon­flikt ein­zel­ne Or­ga­ni­sa­tio­nen zu un­ter­stüt­zen. In die­sem Fall un­ter­stützt(e) Teile der an­ti­im­pe­ria­lis­ti­schen Lin­ken eine Par­tei­dik­ta­tur und ihren Al­lein­ver­tre­tungs­an­spruch
Die Aus­re­de des Nicht­wis­sens ist un­gül­tig, da die ent­spre­chen­den kri­ti­schen In­for­ma­tio­nen über die PKK spä­tes­tens mit Cü­rükka­yas Buch auf Deutsch ver­füg­bar waren, selbst der Wi­ki­pe­dia-Ar­ti­kel über die PKK ver­weist auf das Buch. Wer schon eine be­stimm­te Or­ga­ni­sa­ti­on un­ter­stützt, die oder der steht in der Pflicht sich über sie zu in­for­mie­ren.
 
Im dua­lis­ti­schen Welt­bild des An­ti­im­pe­ria­lis­mus ver­sur­sacht der kur­di­sche Be­frei­ungs­na­tio­na­lis­mus üb­ri­gens in­ter­es­san­te Brü­che, die nicht ewig igno­riert wer­den kön­nen:
* Viele An­ti­imps er­ei­fer­ten sich über den mi­li­tä­ri­schen Über­fall Is­raels am 31. Mai 2010 auf die so ge­nann­te Gaza-„Hilfs“flot­te, der im Rah­men einer miss­glück­ten Gei­sel­be­frei­ung neun To­des­op­fer auf Sei­ten der Schiffs­be­sat­zung for­der­te. Auf die­ser stell­te die Mehr­heit der Mit­fah­ren­den tür­ki­sche Na­tio­na­lis­ten und Is­la­mis­ten. An Bord war z.B. auch der Pres­se­spre­cher, der tür­ki­schen ex­trem rech­ten und an­ti­kur­di­schen Par­tei „Büyük Bir­lik Par­ti­si“ (BBP). Für die Frei­heit von Pa­läs­ti­na und Kur­dis­tan gleich­zei­tig zu sein, dürf­te an die­sem Punkt Pro­ble­me be­rei­tet haben.
* Eben­so igno­rie­ren An­ti­imps bis­her die star­ken pro-ame­ri­ka­ni­schen Sym­pa­thi­en in der Be­völ­ke­rung von Ira­kisch-Kur­dis­tan igno­rie­ren, die sich über die Be­sei­ti­gung des Kur­den­schläch­ters Sad­dam Hus­sein freu­ten. Der kur­di­sche Nord­irak gilt als wich­tigs­ter Ver­bün­de­ter der Ver­ei­nig­ten Staa­ten. Hier schnei­den sich an­ti­im­pe­ria­lis­ti­scher An­ti­ame­ri­ka­nis­mus und pro-kur­di­scher Be­frei­ungs­na­tio­na­lis­mus.

Selim Çürükkaya

1954 te Bingöl' de doğdu. Öğretmen okulundan mezun oldu. Siyasi nedenlerle on bir yıl hapis yattı. Gazeteci ve yazar. Yayınlanmış 10 Kitabı var. Siyasi mülteci olarak Almanya'da yaşıyor.

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